Synonyme: | unkontrollierbarer Harndrang |
Engl.: | Urgency |
ICD-Code: | R32 |
Verbreitung: | Häufig |
Häufigste Ursachen: | Harnwegsinfektion, Dranginkontinenz, Überaktive Blase (OAB) |
Selbstdiagnose möglich: | Ja. Zur Ursachenabklärung aber Arzt erforderlich. |
Selbstbehandlung ausreichend: | Je nach Ursache. |
Ab wann zum Arzt: | Häufiges Auftreten starken Harndrangs oder wiederkehrendem ungewollten Harnabgang. |
Unter imperativen Harndrang versteht man einen unkontrollierbaren Harndrang, der mit oder ohne ungewolltem Harnabgang einhergehen kann. Er ist in der Regel führendes Symptom der Dranginkontinenz und der überaktiven Blase. Nur selten suchen Betroffene ärztliche Hilfe auf – ein imperativer Harndrang kann jedoch oft erfolgreich behandelt werden. Es ist daher ratsam, das Symptom einem Arzt vorzustellen. Folgender Artikel wird erläutern, was es mit diesem Beschwerdebild auf sich hat und welche Therapieansätze existieren.
Wieviel Harndrang ist normal?
Das Gefühl des Harndrangs ist Jedem bekannt. Es handelt sich hierbei um das Bedürfnis, die Blase zu entleeren, da diese ihre Füllkapazität erreicht hat. Er ist somit ein hilfreicher Hinweis des Körpers, eine Toilette aufzusuchen. Gesteuert wird dieser Vorgang durch Nerven, welche die Dehnung der Blasenwand wahrnehmen; dieses Signal wird über das Rückenmark an das Gehirn weitergeleitet. Dort wird die Information der vollen Blase als Harndrang wahrgenommen. Im Normalfall kann der Mensch entscheiden, ob er diesen zu einem gewissen Maße unterdrücken oder ihm, im Falle des Toilettenbesuchs, nachgeben will. Im Gegensatz zu diesem „normalen“ Harndrang, handelt es sich beim imperativen Harndrang, laut Definition, um ein so starkes Dranggefühl, dass unmittelbar eine Toilette aufgesucht werden muss, da es sonst zu einem unkontrollierten Harnabgang kommt [1].
Ein gelegentliches Auftreten des imperativen Harndrangs kann in manchen Fällen als normal angesehen werden. Beispielsweise dann, wenn sehr große Mengen Flüssigkeit getrunken wurden und/oder der Toilettengang hinausgezögert wird; insbesondere wenn es sich dabei um Kaffee oder Alkohol handelt.
Ein regelmäßiges Auftreten eines plötzlich und starken Harndrangs sollte jedoch in jedem Fall abgeklärt werden. Vor allem dann, wenn es dabei zu einem ungewollten Urinabgang kommt.
Imperativer Harndrang: Woran kann das liegen?
Kommt es durch den Harndrang zu unkontrollierbaren Harnabgang, so spricht man definitionsgemäß von einer sogenannte Dranginkontinenz. Dieses Krankheitsbild kann zahlreiche Ursachen haben.
Treten neben der Drangsymptomatik, Symptome von häufigem Wasserlassen (> 10maliges Wasserlassen in 24h = Pollakisurie) und nächtlichem Wasserlassen (Nykturie) auf, so spricht man vom Syndrom der überaktiven Blase (Engl.: overactive bladder, OAB) [1][2]. Laut Definition handelt es sich jedoch nur dann um die Diagnose „überaktive Blase“, wenn keine fassbare Ursache gefunden werden kann [1].
Es existieren jedoch zahlreiche Ursachen, die einen imperativen Harndrang mit oder ohne Symptomen der OAB auslösen können.
Eine sehr häufige Ursache stellt beispielsweise ein Harnwegsinfekt dar. Er geht häufig mit Schmerzen beim Wasserlassen einher und kann mittels Urintest leicht nachgewiesen werden.
Imperativer Harndrang kann ebenso Symptom anderer Grunderkrankungen darstellen: Hierunter fallen Blasensteine, Tumore der Blase oder deren Umgebung, eine Prostatavergrößerung oder neurologische Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose, Schlaganfall) [1][2]. Ebenso können Medikamente auslösend sein; hier seien vor allem harntreibende Medikamente (Diuretika) erwähnt [2].
Die ärztliche Abklärung des Harndrangs hat somit zum Ziel, die Ursache herauszufinden und diese so gezielt wie möglich zu therapieren.
Wie können die Beschwerden gelindert werden?
Prinzipiell kann gesagt werden, dass der Verzicht auf harntreibenden Getränken (Schwarz- und Grüntee, Alkohol, Kaffee) helfen können den Harndrang zu reduzieren [3].
Die gezielte Therapie des imperativen Harndrangs richtet sich nach der jeweiligen Ursache. Stellt der Harndrang ein Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung, wie z.B. einem Harnwegsinfekt dar, so wird dieser gezielt therapiert und im Verlauf beobachtet, ob dies zu einer Besserung der Drangsymptomatik führt.
Komplizierter gestaltet es sich, wenn die Ursache der Drangsymptomatik eine Grunderkrankung ist, die nur schwer zu therapieren ist oder bereits zu nicht umkehrbaren Veränderungen an Blase oder deren versorgenden Nerven geführt hat. Beispiele hierfür sind Multiple Sklerose oder eine langjährige (und unzureichend therapierte) Zuckerkrankheit. In diesem Fall muss neben der Grunderkrankung auch der imperative Harndrang gezielt therapiert werden.
Kann keine klare Ursache gefunden werden, so kommt eine rein symptomatische Therapie zum Einsatz. Hier zählt vor allem die Verhaltenstherapie zu einen der wichtigsten Therapiemethoden. Bei dieser Methode wird den Betroffenen „antrainiert“ den Gang zur Toilette hinauszuzögern, um die Blase „umzugewöhnen“. Es sollte hierbei professionelle Anleitung in Anspruch genommen werden [1]. Des Weiteren kann ein Beckenbodentraining helfen, den Verschlussmechansimus der Blase zu stärken; so kann dem Harndrang besser standgehalten werden.
Je nach ärztlichem Befund können des weiteren Medikamente zum Einsatz kommen. Liegt eine überaktive Blase vor, so kommen gehäuft sogenannte Anticholinergika in Tablettenform zum Einsatz. Diese Medikamentengruppe hemmt die Aktivität des Blasenmuskels [1].
Es kann außerdem versucht werden, die Beschwerden mit Mitteln aus der Naturheilkunde zu lindern. So werden bei Reizblase und Dranginkontinenz beispielsweise Johanniskraut, echtes Goldrutenkraut und Hopfenzapfen empfohlen [4].
Es sei erwähnt, dass für manche Städte Deutschlands sogenannte Toilettenführer erhältlich sind – auf diese Weise wird Betroffenen das schnelle Aufsuchen einer Toilette erleichtert [3].
Wann bestehen ernsthafte gesundheitliche Risiken?
Das gelegentliche Auftreten imperativen Harndrangs ist kein Grund zur Sorge. Tritt er jedoch gehäuft auf oder führt zu ungewolltem Urinabgang, so sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. Zum einen da er ein Hinweis auf andere Grunderkrankungen sein kann und diese in aller Regel eine Therapie benötigen, zum anderen da die Symptomatik auf lange Sicht eine große Belastung für den Betroffenen darstellt und zu sozialem Rückzug sowie Depression führen kann.
Quellen:
[1] A. Tiemann: „Überaktive Blase.“, http://www.urologenportal.de/patienten/patienteninfo/patientenratgeber/harninkontinenz.html, 16.03.2018
[2] R. M. Bauer: „Überaktive Blase – auf der Suche nach der individuell besten Lösung.“, http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Urologische-Klinik-und-Poliklinik/download/de/Ueberaktive-Blase-Bauer.pdf, 12.03.2017
[3] „Deutsche Kontinenz Gesellschaft: Trotz Kontinenz ohne Durst durch den heißen Sommer.“, http://www.kontinenz-gesellschaft.de/fileadmin/user_content/startseite/presse/pressemitteilungen/Archiv/PM_Harninkontinenz_Sommer%20und%20Hitze_mit%20Logo_IP.pdf, 13.03.2018
[4] R. Huber: Mind-Maps Phytotherapie. Georg Thieme Verlag, 2009, S 94f.