Synonyme: |
überaktive Blase, hyperaktive Blase, Urethralsyndrom, Frequenca-Urgency-Syndrom |
ICD-Code: | N32.8 |
Verbreitung: | Häufig (16% aller Erwachsenen) |
Altersverteilung: |
18-29 J: 4%, 30-49 J. :6%, 50-69 J: 13%, 70-79 J.: 17% |
Geschlechterverteilung: |
8-42% der Frauen, 10-26% der Männer |
Selbstdiagnose möglich: |
Ja. Zur Ursachenabklärung aber Arzt erforderlich |
Selbstbehandlung ausreichend: | Je nach Schweregrad |
Ab wann zum Arzt: |
Bei anhaltenden Symptomen einer Reizblase |
Unter einer Reizblase versteht man ein Beschwerdebild, das von Laien oftmals als „schwache Blase“ bezeichnet wird – häufiger und starker Harndrang, der ein sofortiges Aufsuchen einer Toilette erfordert, steht hierbei im Vordergrund der Symptomatik. Betroffene müssen dementsprechend, sowohl tagsüber als auch in der Nacht, häufig die Toilette aufsuchen ( >10 mal in 24h) [1]. Meist werden dabei beim Wasserlassen nur geringe Mengen Harn ausgeschieden. Eine Reizblase kann mit oder ohne ungewolltem Harnverlust einhergehen [1]. Kommt es zu unkontrolliertem Harnverlust, so spricht man von einer Dranginkontinenz [1]. Bei der Reizblase handelt es sich um ein Krankheitsbild, bei dem keine organische Ursachen für die Beschwerden gefunden werden können.
Reizblase: Woran kann das liegen?
Die Nieren produzieren durchgehend Harn (Urin), der über die Harnleiter in die Blase geleitet wird. Die Blase dient somit als Speicherorgan und weist ein maximales Fassungsvermögen von etwa 800 ml auf. Harndrang setzt bei den meisten Menschen jedoch schon bei einer Füllmenge von etwa 300 bis 600 ml ein [2]. Wird die Toilette aufgesucht, kommt es durch das Zusammenziehen der Blasenmuskulatur zum vollständigen Entleeren der Blase. Bei einer Reizblase kommt es zu einer verfrühten und ungewollten Kontraktion des Blasenmuskels, selbst dann wenn die Blase erst gering gefüllt ist [3]. Dies erklärt, warum die Reizblase auch unter den Namen hyperaktive oder überaktive Blase (engl.: hyperactive bladder) bekannt ist.
Laut Definition, liegen dem Beschwerdebild der Reizblase keine spezifischen organischen Ursachen zu Grunde. Dementsprechend handelt es sich bei der Diagnose Reizblase, um eine Ausschlussdiagnose. Die Abklärung der oben genannten Beschwerden beinhaltet somit das Ausschließen jeglicher möglichen organischen Ursachen, die eine solche Symptomatik hervorrufen könnten; so können beispielsweise Blasensteine, eine vergrößerte Prostata (Prostatahyperplasie), Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder Blasenkrebs Reizblasen-ähnliche Beschwerden verursachen [1]. Des Weiteren können Medikamente (z.B. Diuretika), ein Harnwegsinfekt oder Verstopfung (Obstipation) ursächlich für die Beschwerden sein [3]. Kann keine fassbare Ursache für die Symptome gefunden werden, so ist definitionsgemäß von einer Reizblase die Rede.
Oftmals verbergen sich hinter einer Reizblase seelische Ursachen, wie z.B. Stress, Nervosität, oder Überbelastung [4]. Man weiß außerdem, dass Alter und Übergewicht das Risiko eines Auftretens der Reizblase erhöhen [1].
Wie können die Beschwerden gelindert werden?
Ziel einer jeden Therapie ist es, bestehende Ursachen zu behandeln. Falls die Beschwerden also auf eine andere Grunderkrankung (siehe oben) zurückzuführen sind, so wird in erster Linie versucht diese zu behandeln bzw. zu beheben. Liegt definitionsgemäß eine Reizblase vor, liegt dieser jedoch keine fassbare Ursache zu Grunde. Dementsprechend orientiert sich die Behandlung nicht am Beheben der Ursache, sondern am Lindern der Symptome. Die Therapieansätze sind hierbei zahlreich und sollten sich stets am Patienten und deren individuellem Beschwerdebild, Allgemeinzustand und Alter orientieren.
Allgemeinmaßnahmen, die die Beschwerden der Reizblase lindern können, sind das Anstreben einer Gewichtsreduktion bei bestehendem Übergewicht und der Verzicht auf Koffein, Alkohol und Rauchen [5]. Des Weiteren kann Stressabbau das Auftreten von ständigem Harndrang reduzieren.
Die ersten Therapieverfahren, die unter Anleitung des behandelnden Arztes, durchgeführt werden, sind in der Regel das sogenannte Blasentraining und eine medikamentöse Therapie [6]. Beim Blasentraining üben die Patienten das Wasserlassen so gut es geht hinauszuzögern, um den Blasenmuskel an größere Mengen Harn zu gewöhnen und das Verhaltensmuster des ständigen Wasserlassens abzubauen. Dies wird durch Beckenbodengymnastik, die den Verschlussmechanismus der Harnröhre stärkt, unterstützt. Als medikamentöse Therapie werden vor allem sogenannte Anticholinergika, die zu einer Entspannung des Blasenmuskels führen, eingesetzt [6].
Falls die medikamentöse Therapie wegen Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Sehstörungen) abgesetzt werden muss oder keine Erfolge zeigt, kann eine Elektrostimulation des Beckenbodens zum Einsatz kommen [1]. Hierbei wird die Beckenbodenmuskulatur mittels Elektroden durch sanften Reizstrom stimuliert und dementsprechend trainiert [7].
Führen oben genannte Maßnahmen zu keiner Besserungen, kann eine Injektion von Botulinumtoxin A in den Blasenmuskel (transurethrales Botulinumtoxin-A) Abhilfe versprechen [1]. Das lokal injizierte Nervengift führt zu einem Lahmlegen von Nervenfasern in der Blasenmuskulatur und wirkt so der überaktiven Blase entgegen. Die Wirkung hält in der Regel 6 bis 12 Monate an [1].
Des Weiteren zählt die sakrale Neuromodulation zu den heutzutage existierenden Behandlungsmethoden. Hierbei wird mittels einer kleinen Operation eine Sonde im Bereich des Nervengeflechts am Kreuzbein (Sakrum) platziert; über diese werden elektrische Impulse abgegeben, die zu einer Entspannung der Blase führen [1][7].
Wann bestehen ernsthafte gesundheitliche Risiken?
Gesundheitliche Risiken entstehen vor allem dann, wenn sich die Symptome der Reizblase auf das Alltagsleben der Betroffenen auswirken. Während die Reizblase (vorausgesetzt, es liegen den Symptomen keine anderen Erkrankungen zu Grunde) minimale körperliche Gesundheitsrisiken mit sich bringt, kann das Krankheitsbild durchaus zu ernstzunehmenden seelischen Folgeerkrankungen führen. Oftmals führt der häufige und starke Harndrang zu einer Einschränkung der Alltagsaktivität; nur ungern werden Orte oder Situationen aufgesucht, an denen ein schnelles Aufsuchen einer Toilette nur schwer möglich ist. Soziale Isolierung, Einschränkungen im Berufsleben und Depressionen können Folge sein. Des Weiteren kann sich die Symptomatik negativ auf den Schlaf und das Sexualleben des Betroffenen auswirken [3].
Es besteht außerdem die Gefahr, dass Menschen mit Reizblase die Symptomatik mit einer kleineren Trinkmenge zu reduzieren versuchen. Dies ist jedoch kontraproduktiv und sollte vermieden werden. Eine ausreichende Trinkmenge (etwa 2 Liter pro Tag) sollte trotz Reizblase stets aufrechterhalten werden. Eine zu geringe Trinkmenge kann das Problem der Reizblase verstärken und birgt Risiken, wie z.B. das Entstehen von Nierensteinen und Kreislaufbeschwerden.
Quellenangaben:
[1] A. Tiermann: „Überaktive Blase.“, http://www.urologenportal.de/patienten/patienteninfo/patientenratgeber/harninkontinenz.html, 19.12.2017
[2] „Blasenschwäche bei Frauen: So funktioniert die Blase.“,http://www.bgv-blasenschwaeche.de/blase.html, 21.12.2017
[3] „Overactive bladder: Symptoms & Causes.“,https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/overactive-bladder/symptoms-causes/syc-20355715, 19.12.2017
[4] „Reizblase: Angst und Stress schaden: So kann man die Blase trainieren.“,http://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Angst-und-Stress-schaden-So-kann-man-die-Blase-trainieren-id42936361.html, 21.12.2017
[5] R. S. Eapen, S. B. Radomski: „Gender differences in overactive bladder.“,http://www.canjurol.com/html/free-articles/V23I1S1F-06_DrRadomski.pdf, 21.12.2017
[6] R. Hautmann, J. Gschwend: Urologie. Springer-Verlag, 2014, S. 351.
[7] „Behandlung von Inkontinenz.“,http://inkontinenz.behandeln.de/inkontinenz-behandeln.html, 21.12.2017