Nächtlicher Harndrang ist ein Beschwerdebild, unter dem vor allem ältere Menschen leiden. Oftmals gehen die Betroffenen davon aus, dass ein nächtliches Wasserlassen normal und demnach hingenommen werden muss. Muss jedoch über längere Zeit häufiger als einmal pro Nacht zur Toilette gegangen werden, so sollte man dies abklären lassen. Denn häufig kann das nächtliche Müssen Symptom einer behandlungswürdigen Grunderkrankung sein und birgt außerdem Folgerisiken wie Sturzgefahr.
Das Wichtigste in Kürze
Synonyme: | Nächtliches Wasserlassen |
Fachbegriff: | Nykturie |
Engl.: | nocturia, frequent urination at night |
ICD-Code für diese Krankheit: | R35 |
Verbreitung in der Bevölkerung: | Häufig |
Geschlechterverteilung: |
In jungem Alter Frauen häufiger Betroffen als Männer, im hohen Alter Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. |
Altersverteilung: | 20-40 Jährige |
Häufigste Ursachen: | Funktionsstörungen der Blase, Überproduktion von Harn, abendliches Trinken |
Selbstdiagnose möglich: | Ja. Zur Ursachenabklärung aber Arzt erforderlich. |
Selbstbehandlung ausreichend: | Je nach Ursache. |
Ab welchen Symptomen zum Arzt: |
Anhaltende Beschwerden, ungewollter Urinabgang, Wassereinlagerungen in den Beinen, Brustschmerz, Gewichtsverlust. |
Ist nächtlicher Harndrang normal?
Laut Fachliteratur, besteht bereits dann ein erhöhtes und demnach „unnormales“ nächtliches Wasserlassen, wenn öfter als einmal pro Nacht zur Toilette gegangen werden muss [1]. Es ist dann von einer sogenannten Nykturie die Rede, die kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom anderer Grunderkrankungen darstellen kann.
Im hohen Alter kommt es auf Grund von hormonellen und anatomischen Veränderungen im Körper häufiger zu einer Nykturie, als bei jungen Menschen. Trotzdem sollten die Beschwerden nicht als „Altersleiden“ abgetan werden.
Die Regulation des Wasserhaushalts im Körper
Um die Entstehung einer Nykturie zu verstehen, ist es hilfreich ein paar Grundzüge der Regulation des Wasserhaushalts des Körper zu kennen:
Prinzipiell kann gesagt werden, dass zugeführte Flüssigkeit auch wieder ausgeschieden werden muss. Die Wege der Ausscheidung sind jedoch nicht nur das Wasserlassen, sondern auch Vorgänge wie Schwitzen, Atmung, usw.
Die Menge des von den Nieren produzierten Harns (Urin) ist demnach von diesen Einflussfaktoren abhängig. Eine wichtige Steuerkomponente dieses Vorgangs ist das sogenannte Antidiuretische Hormon (ADH). „Antidiuretisch“ heißt soviel wie „die Ausscheidung hemmen“; ADH führt folglich zu einer verminderten Urinproduktion der Nieren. Muss der Körper, z.B. wegen hoher Trinkmenge, mehr Wasser loswerden, so drosselt der Körper die Produktion von ADH und mehr Urin wird produziert.
Im Schnitt werden täglich 0,7 bis 3 Liter Urin produziert; Im Normalfall werden hiervon zwei Drittel am Tage und ein Drittel während der Nacht produziert [2][3]. Von den Nieren wird der Urin kontinuierlich in die Blase geleitet. Diese speichert diesen bis eine gewisse Füllmenge erreicht wird. Ist die Blase voll, kommt es zu Harndrang. Damit die Blase vollständig geleert wird, bedarf es dem Zusammenziehen des Blasenmuskels.
Ursachen nächtlichen Harndrangs
Eine der häufigsten Ursachen nächtlichen Harndrangs und folglich nächtlichen Wasserlassens ist eine generell gesteigerte Harnproduktion. Hierbei müssen Betroffene also nicht nur Nachts zur Toilette, sondern verspüren auch tagsüber gehäuften Harndrang. Per Definition sind mehr als 3 Liter Harn/24 Stunden „zu viel“ und wird als Polyurie bezeichnet [2].
Die Ursachen einer Polyurie sind zahlreich: Vermehrtes Trinken (Polydipsie), Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) sowie ein Diabetes insipidus [4].
Neben der Polyurie, die sowohl nachts als auch tagsüber besteht, existiert außerdem eine sogenannte nächtliche Polyurie; also ein vermehrtes Wasserlassen, das sich auf die Nacht beschränkt. Wie oben erwähnt, sollte die nächtliche Urinmenge nicht mehr als ein Drittel des 24-Stunden-Gesamturins betragen. Durch unterschiedliche Gründe kann dieser nächtliche Anteil jedoch erhöht sein. Unter anderem sind hier Störungen im Sekretions-Rhythmus des Hormons ADH zu nennen; in der Nacht herrscht demnach ein Mangel an ADH und die Urinproduktion wird nicht ausreichend gedrosselt [3].
Nicht selten ist eine Nykturie auf eine Herzinsuffizienz zurückzuführen. Durch das schwache Herz kommt es im Tagesverlauf zu Wasseransammlungen in den Beinen (Ödemen), die Nachts abschwellen. Dieses Wasser muss dann dementsprechend „ausgepinkelt“ werden.
Weitere Ursachen einer nächtlichen Polyurie sind Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), die abendliche Einnahme von Diuretika („Wassertabletten“) oder übermäßiges Trinken vor dem Schlafengehen.
Als letzteres ist eine reduzierte Blasenkapazität als häufige Ursache zu nennen. Dies wiederum kann, muss aber nicht, auf altersbedingte Veränderungen zurückgeführt werden. Prinzipiell kommt es im Alter zu strukturellen und hormonellen Veränderungen im Körper. Dies hat zur Folge, dass die Füllkapazität der Blase abnimmt und die Blase beim Wasserlassen nicht vollständig geleert wird; sogenannter Restharn ist die Folge. Restharn von über 100 ml zählt zu den Ursachen der Nykturie [4]. Betroffene scheiden demnach bei den einzelnen Toilettengängen (auch tagsüber) nur kleine Mengen Urin aus (<250 ml); nicht selten gehen eine geringe Blasenkapazität mit Symptomen einer Harninkontinenz einher [4].
Zu weiteren Auslösern zählen Schlafstörungen anderer Ursache, Harnwegsinfekte und eine Vergrößerung der Prostata (BPH) [1][4].
Nicht selten beruht eine Nykturie auf mehreren der oben genannten Faktoren [4].
Gibt es Risikofaktoren für eine Nykturie?
Man weiß heute, dass Menschen mit Übergewicht eher eine Nykturie entwickeln, als Menschen mit Normalgewicht [1]. Ebenso zählen eine obstruktive Schlafapnoe und Bluthochdruck zu den Risikofaktor einer Nykturie [1].
Abklärung, Behandlung und wissenswerte Tipps
Wenn Nachts zweimal oder häufiger zur Toilette gegangen werden muss, sollte ein Arzt aufgesucht werden, um die Ursache der Beschwerden festzustellen. In der Regel wird der Arzt den Betroffenen bitten, Trinkgewohnheiten sowie Toilettengänge schriftlich zu dokumentieren.
Je nach Ursache existieren unterschiedliche Therapieansätze:
Findet der Arzt Anzeichen einer Grunderkrankung, wie z.B. eine Herzinsuffizienz oder Zuckerkrankheit, muss diese entsprechend therapiert werden.
Bei einer reduzierten Blasenkapazität können Blasentraining und Medikamente verschrieben werden [4].
Eine nächtliche Polyurie die auf einem ADH Mangel basiert, kann mit dem Medikament Desmopressin therapiert werden; es handelt sich hierbei um ein synthetisches ADH Analog [3][5].
Zu den Allgemeinmaßnahmen der Nykturie gehört der Verzicht auf spätes Trinkens, sowie das Anstreben einer Gewichtsabnahme im Falle von Übergewicht.
Kann die Nykturie nicht ausreichend behoben werden, sollte darauf geachtet werden, dass der Gang zur Toilette ausreichend beleuchtet ist. Hier sollten warme Lichter, grellem Licht vorgezogen werden, da diese das Wiedereinschlafen erschweren können.
Warum man die Beschwerden ernst nehmen sollte
Zum einen sollte ein nächtlicher Harndrang abgeklärt werden, da er, wie oben erläutert, oft Symptom einer Grunderkrankung darstellt. Aber auch wegen der Folgen des nächtlichen Wasserlassens ist eine Abklärung und entsprechende Therapie empfehlenswert.
Das nächtliche Aufsuchen der Toilette birgt das Risiko von Stürzen [6]. Besonders bei älteren Menschen muss diese Gefahr ernst genommen werden. Stürze können zu Knochenbrüchen führen, die im Alter zu Bettlägerigkeit und damit verbundenen Folgeerkrankungen (wie z.B. Thrombosen, Lungenentzündungen) beitragen.
Die Nykturie ist außerdem die häufigste Ursachen gestörten Nachtschlafs; dies wiederum kann Konzentrationsstörungen, Schwindel und Tagesmüdigkeit mit sich bringen, was wiederum die Sturzgefahr erhöht [6]. Auch Infektanfälligkeit und depressive Verstimmungen zählen zu den Folgen eines Schlafmangels [4][6].
Quellenangaben
[1] P. Stölting: „Nykturie bei Senioren: Ursachen, Folgen und Therapiemöglichkeiten.“, https://www.allgemeinarzt-online.de/archiv/a/ursachen-folgen-und-therapiemoeglichkeiten-1571941, 18.11.2018
[2] A. P. Shah et al.: „Polyurie“. https://www.msdmanuals.com/de/profi/urogenitaltrakt/symptome-urogenitaler-erkrankungen/polyurie, 18.11.2018
[3] „Gegen nächtlichen Harndrang läßt sich was tun.“, https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/schlafstoerungen/article/324193/naechtlichen-harndrang-laesst-tun.html, 20.11.2018
[4] G. Primus et al.: „Differentialdiagnose und Therapie der Nykturie – Konsensusstatement.“, https://www.kup.at/kup/pdf/5671.pdf, 19.11.2018
[5] „Desmopressin.“, https://www.drugbank.ca/drugs/DB00035, 20.11.2018
[6] „Nykturie: Unterschätztes Symptom anderer Ursachen.“, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/69760/Nykturie-Unterschaetztes-Symptom-anderer-Stoerungen, 18.11.2018