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Überlaufinkontinenz: Definition, Ursachen & Therapie

Die Überlaufinkontinenz stellt eine Form der Harninkontinenz dar, wobei der Begriff Harninkontinenz jede Form eines unfreiwilligen Harnabgangs beschreibt. Im Falle der Überlaufinkontinenz, findet dieser unkontrollierbare Harnabgang in tropfenweiser Form statt. Anders als bei anderen Inkontinenzformen, liegt hier eine übervolle Blase vor, die dann „überläuft“. Die häufigste Ursache der Überlaufinkontinenz ist eine vergrößerte Prostata; demnach stellt die Überlaufinkontinenz die häufigste Inkontinenzform des Mannes dar [1]. Aus Schamgefühl wird nur selten über die Symptomatik gesprochen; es existieren jedoch Behandlungsmethoden, die die Beschwerden lindern und Folgeerkrankungen verhindern können. Folgender Artikel erklärt, wie es zur Überlaufblase kommt und wie sie therapiert werden kann.

 

Das Wichtigste in Kürze:

Synonyme: Überlaufblase, Inkontinenz bei chronischer Harnretention
Engl.: Overflow incontinence
ICD-Code für diese Krankheit:  N39.41
Verbreitung in der Bevölkerung:  Häufig
Geschlechterverteilung: Männer häufiger betroffen als Frauen
Altersverteilung: Häufigkeit zunehmend mit steigendem Alter.
Häufigste Ursachen: Beim Mann: Prostatavergrößerung (beninge Prostatahyperplasie), bei der Frau: nervenbedingte Störungen der Blasenfunktion.
Selbstdiagnose möglich: Nein.
Selbstbehandlung ausreichend:  Je nach Ursache
Ab welchen Symptomen zum Arzt: Erschwertes Wasserlassen, ständiges Harntröpfeln, Schmerzen im Unterleib.

 

Wie macht sich eine Überlaufinkontinenz bemerkbar?

Typische Symptome einer Überlaufinkontinenz sind ein häufiger, oftmals auch Nachts auftretender, Harndrang und das Gefühl einer immerzu vollen Blase. Beim Aufsuchen der Toilette kann das Wasserlassen jedoch nur schwer begonnen werden („Startverzögerung“); zudem sind ein schwacher Harnstrahl und kleine Harnmengen wegweisend für die Diagnose [2]. Zwischen den Toilettengängen kommt es zu ungewolltem tröpfchenweisen Harnabgang.

Überlaufinkontinenz: Woran kann das liegen?

Die häufigste Ursache der Überlaufinkontinenz ist eine vergrößerte Prostata (Prostatahyperplasie) [3]. Es existieren jedoch zahlreiche weitere Ursachen einer Überlaufinkontinenz.

Prinzipiell unterscheidet man je nach Ursache zwischen einer obstruktiven und einer nicht obstruktiven Überlaufinkontinenz [4]:

Obstruktive Überlaufinkontinenz

Der Begriff Obstruktion beschreibt das Vorliegen einer teilweisen oder kompletten Verengung bzw. einen Verschluss eines Organs. Im Falle der Überlaufinkontinenz handelt es sich um eine Verengung des Blasenausgangs bzw. der Harnröhre, die ein Abflusshindernis für den Urin darstellt. Dies führt dazu, dass die Blase nicht regulär entleert werden kann. Ist die Blase so voll, dass die Füllkapazität des Organs erreicht ist, so kommt es zum „Überlaufen“ des Urins – Harntröpfeln ist die Folge. Dies erklärt auch, warum bei der Überlaufinkontinenz eine sehr prall gefüllte Blase, die eventuell durch die Bauchdecke ertastet werden kann, vorliegt.

Die Obstruktion kann durch unterschiedliche Faktoren verursacht werden:

Beim Mann kann neben einer gutartigen Prostatahyperplasie auch ein bösartiger Tumor (Prostatakarzinom) die Ursache darstellen [4]. Bei der Prostata, auch Vorsteherdrüse genannt, handelt es sich um ein etwa walnussgroßes männliches Drüsenorgan, das genau unter der Blase liegt. Die Drüse liegt hier von außen ringförmig der Harnröhre an. Die Harnröhre schließt sich der Harnblase an und dient der Urinausscheidung. Kommt es zu einer Vergrößerung der Prostata, drückt diese von außen auf die Harnröhre und führt so zu einer Verengung.

Ursachen einer obstruktiven Überlaufinkontinenz der Frau kann eine Absenkung oder ein Tumor (z.B. Myom) der Gebärmutter (Uterus) sein. Der Uterus drückt dann, ähnlich wie die Prostata beim Mann, von außen auf die Harnröhre.

Unabhängig vom Geschlecht, kann die Obstruktion durch Blasensteine, Harnröhrenvernarbungen (z.B. durch Verletzungen oder vorausgegangener Operationen) oder Medikamentennebenwirkungen bedingt sein [1][4].

Nicht obstruktive Überlaufinkontinenz

Bei der nicht obstruktiven Form liegt kein Abflusshindernis vor. Stattdessen handelt es sich hierbei um eine Schwäche des Blasenmuskels. Um die Blase vollständig zu entleeren, zieht sich der Blasenmuskel in der Blasenwand im Normalfall kräftig zusammen. Dieses Zusammenziehen (Kontraktion) ist bei der nicht obstruktiven Form der Überlaufinkontinenz gestört. Es verbleibt folglich auch nach dem Wasserlassen Harn in der Blase (sogenannter Restharn), der zu einer Überdehnung der Blasenwand führt und die Problematik zusätzlich verschlimmert [4]. Die Ursachen für eine solche Funktionsstörung sind zahlreich. So können beispielsweise Schäden im Becken durch vorausgegangene Operationen, Nervenschäden durch unterschiedliche Grunderkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch, Multiple Sklerose), ein Bandscheibenvorfall oder blasendämpfende Medikamente (z.B. Antidepressiva, Opioide, Parkinsonmedikamente, Muskelrelaxanzien) den Beschwerden zu Grunde liegen; des Weiteren können psychische Faktoren den Auslöser darstellen [2][5].

 

Wie können die Beschwerden gelindert werden?

Wird bei der ärztlichen Abklärung mittels Ultraschall eine größere Menge Restharn (100ml) festgestellt, so wird dieser, unabhängig von der Ursache, mittels einem Blasenkatheter abgeleitet [5]. Die weitere Therapie richtet sich nach dem Auslöser der Überlaufblase.

Liegt dem Krankheitsbild eine Obstruktion zu Grunde, so muss diese beseitigt werden.

Im Falle einer Prostatahyperplasie kann dies mittels einer medikamentösen Therapie versucht werden. Es werden dabei Mittel angewendet, die den Blasenausfluss erweitern bzw. das Prostatavolumen verringern (Alpha-Rezeptorenblocker, 5-Alphareduktasehemmer). Sind die Beschwerden der Überlaufinkontinenz auf Grund der Prostatahyperplasie milde bzw. im Anfangsstadium, so können pflanzliche Mittel, wie z.B. Kürbiskerne, Sabal Früchte und Brennessel-Extrakt, helfen [6]. Führt eine medikamentöse Therapie zu unzureichenden Erfolgen, so können Teile der Prostata operativ entfernt werden; Standardoperation bei der beningen Prostathyperplasie ist die sogenannte Transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P).

Ebenso werden narbenbedingte oder angeborenen Harnröhrenverengungen operativ behandelt.

Bei der nicht obstruktiven Form spielen operative Therapieoptionen eine untergeordnete Rolle. Einem schwachen Blasenmuskel kann mittels Medikamenten, die den Tonus des Muskels steigern (Cholinergika), entgegengesteuert werden. Außerdem kann ein sogenanntes Blasentraining helfen, die Blasenkontrolle zu verbessern [5]. Unter Anderem wird hier ein „Double Voiding“ erlernt: Nach dem Wasserlassen wird nach etwa einer Minute erneut versucht zusätzlich Urin auszuscheiden, um einer Restharnbildung vorzubeugen.

Ist dies nicht ausreichend, so muss nötigenfalls der Gebrauch eines Katheters erlernt werden, um den Urin regelmäßig mittels diesem abzulassen [5].

Wann bestehen ernsthafte gesundheitliche Risiken?

Die Symptome einer Überlaufinkontinenz sollten in jedem Fall ernstgenommen und einem Facharzt vorgestellt werden. Denn diese Inkontinenzform ist nicht nur lästig und belastend, sondern kann auf lange Sicht zu ernsthaften gesundheitlichen Risiken führen. Durch den Aufstau des Harns in der Blase, kann es zu einem Rückstau in die Harnleiter kommen. Diese Strukturen verbinden die paarigen Nieren mit der Harnblase. Ein Harnstau in den Harnleitern kann bis in die Nieren reichen und so zu einem Nierenschaden bis hin zum Nierenversagen führen [3]. Der Harnstau stellt außerdem ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte dar [3].

Quellen: 

[1] „Inkontinenz Selbsthilfe e.V.: Überlaufinkontinenz.“, http://www.inkontinenz-selbsthilfe.com/ueberlaufinkontinenz, 14.03.2018

[2] C. Dörfler: „Pflegepraxis: Blasenschwäche beim Mann.“, http://www.pflegeportal.ch/pflegeportal/pub/Procare_Juli_Inkontinenz_2293_1.pdf, 14.03.2018

[3] M. Escher, I. Guillou, A. Schäffler: Medizin für Heilpraktiker. Georg Thieme Verlag, 2013.

[4] E. Aulbert: Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer Verlag, 2012, S. 445f.

[5] I. Schubert, J. Fessler: Hausärztliche Leitlinien. Deutscher Ärzteverlag, 2009, S. 349.

[6] D. Friedrich: Inkontinenz Multiple Sklerose: Ein Ratgeber bei Blasen- und Darmstörungen. Georg Thieme Verlag, 2010, S. 56.

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