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Inkontinenz beim Mann: Definition, Ursachen & Tipps

Engl.: Incontinence in men
Verbreitung in der Bevölkerung: Häufig
Altersverteilung: Häufigkeit steigend mit zunehmendem Alter
Häufigste Ursachen: Prostatahyperplasie, Nervenschäden, Operationsfolgen
Selbstdiagnose möglich: Ja. Zur Ursachenabklärung aber Arzt erforderlich
Selbstbehandlung ausreichend: Je nach Ursache
Ab welchen Symptomen zum Arzt: Ungewollter Abgang von Stuhl oder Urin. Häufiges Auftreten  unkontrollierbarer Winde.

Das Wort Inkontinenz beschreibt die Unfähigkeit die Ausscheidung von Darm und Blase willentlich zu kontrollieren; demnach kommt es zu einem unkontrollierten Abgang von Stuhl, Schleim oder Darmgasen (Stuhlinkontinenz) bzw. Harn (Harninkontinenz). Die beiden Formen der Inkontinenz können dabei getrennt oder gemeinsam auftreten. Eine Inkontinenz tritt bei Männern zwar seltener auf als bei Frauen, stellt jedoch trotzdem ein ernstzunehmendes Krankheitsbild des Mannes dar, das zu einer großen Belastung des Betroffenen führen kann. Aus diesem Grunde sollte bei ungewollten Abgang von Stuhl oder Urin immer ein Arzt aufgesucht werden; denn die Erkrankung ist häufig gut zu behandeln [1].

Inkontinenz beim Mann: Woran kann das liegen?

Prinzipiell verfügt der Mann über einen weitaus stärkeren Verschlussmechanismus von Blase und Darm als Frauen; demnach ist der Mann seltener und meist erst im höheren Alter von einer Inkontinenz betroffen [2]. Eine Inkontinenz kann prinzipiell immer dann auftreten, wenn es zu einer direkten Schädigung des Schließmuskels von Darm bzw. Blase kommt; z.B. in Folge von Unfällen, Operationen oder Bestrahlung. Die Funktionsfähigkeit der Schließmuskel kann jedoch auch indirekt eingeschränkt werden, wenn versorgende Nerven bzw. Hirnareale beschädigt sind. So weiß man beispielsweise, dass eine Stuhlinkontinenz häufiger bei Menschen mit einer nervenschädigenden Zuckerkrankheit, einem Schlaganfall oder Multiplen Sklerose auftritt [2]. In jungen Jahren werden besagte Schäden oftmals kompensiert und führen erst dann zu Symptomen, wenn es zusätzlich zu altersbedingten Veränderungen in Blase und Gehirn kommt [3][4].

Es existieren außerdem zahlreiche spezifische Ursachen einer Harn- bzw. Stuhlinkontinenz:

Eine Harninkontinenz beim Mann ist in vielen Fällen auf die Vorsteherdrüse (Prostata) zurückzuführen. Hierbei handelt es sich um ein walnussgroßes Organ, das sich unterhalb der Blase um die Harnröhre legt und im Alter gehäuft eine Größenzunahme aufweist (beninge Prostatahyperplasie). Dies kann eine Einengung der Harnröhre zur Folge haben. Die Blase kann dann nur schwer und unvollständig entleert werden. Folglich entsteht eine sogenannte Überlaufinkontinenz; ein ungewollter Urinabgang bei voller Blase.

Ebenso können Blasen– bzw. Prostatatumore oder Blasensteine ursächlich sein.

Nicht selten ist die Inkontinenz Folge einer Prostataoperation. Im Falle einer kompletten Entfernung der Prostata auf Grund eines bösartigen Prostatatumors (Karzinom) leiden 3-5 von 100 Operierten im Nachhinein an einer Dranginkontinenz oder Belastungsinkontinenz [1][3]. Bei Operationen auf Grund einer beningen Prostatahyperplasie ist das Risiko einer folgenden Inkontinenz weitaus geringer (weniger als 1 Prozent) [1][3].

Außerdem können ein Harnwegsinfekt oder wassertreibende Medikamente (Diuretika) eine vorübergehende Harninkontinenz bedingen.

Auch die Stuhlinkontinenz weist zahlreiche spezifische Ursachen auf. Es sei hierbei erwähnt, dass bereits der häufige ungewollte Abgang von Darmgasen als Stuhlinkontinenz eingestuft wird (Inkontinenz Grad 1) und behandelt werden sollte [2].

Nicht selten liegt einer Stuhlinkontinenz paradoxerweise ein Stuhlverhalt (Verstopfung, Obstipation) zu Grunde. Hierbei ist der Enddarm mit hartem Stuhl gefüllt; in den vorangestellten Darmabschnitten kommt es jedoch zur Verflüssigung des angestauten Stuhls, der dann am harten Stuhl im Enddarm vorbeigleitet und unkontrolliert abgeht. Ebenso können Hämorrhoiden der Problematik zu Grunde liegen.

Eine Durchfallerkrankung sowie die Einnahme von Abführmitteln (Laxanzien) kann vorübergehend zu einer Stuhlinkontinenz führen. Auch andere Medikamente, wie z.B. Antidepressiva oder Muskelrelaxantien können eine Stuhlinkontinenz fördern [2]. Des Weiteren können psychische bzw. geistige Erkrankungen wie z.B eine schwere Depression, Demenz oder Delir eine Stuhlinkontinenz hervorrufen [2].

Oftmals kann jedoch keine klare Ursache für die Stuhlinkontinenz gefunden werden [4].

Wie können die Beschwerden gelindert werden?

Die Therapie richtet sich immer nach Ursache, Form und Schweregrad der Inkontinenz. Prinzipiell sollten Allgemeinmaßnahmen und eine medikamentöse Therapie einer Operation vorgezogen werden. Kann die Ursache gezielt therapiert werden, so ist dies oberste Priorität (z.B. Therapie eines Harnweginfekts).

Allgemeinmaßnahmen

Hierunter fallen Krankengymnastik und Ernährungsberatung sowie Stuhlregulierung bzw. Toilettentraining.

Durch Krankengymnastik können Beckenbodenmuskulatur und Schließmuskel von Darm und Blase gestärkt werden. Die Aufklärung über harntreibende Getränke, wie z.B. Kaffee und Alkohol, sowie abführend oder verstopfend wirkende Nahrungsmittel kann Betroffenen helfen, die Symptome eigenständig zu lindern. Die Stuhlregulation und das Toilettentraining haben zum Ziel, einen regelmäßigen Toilettengang mit guter Stuhlkonsistenz zu fördern.

Medikamentöse bzw. pflanzliche Therapie

Die Schulmedizin verfügt über zahlreiche Medikamente, die bei einer Harninkontinenz zum Einsatz kommen können. Hier ist es wichtig mit dem Arzt, je nach Inkontinenzform, das geeignete Medikament auszuwählen (z.B. Alphablocker, 5-Alpha-Reduktasehemmer) [1].

Bei der Stuhlinkontinenz können Mittel mit dem Wirkstoff Loperamid zu einer therapeutischen Darmlähmung verhelfen [5]. Bei einer Verstopfung kommen dagegen Abführmittel bzw. Klistire zum Einsatz.

Bei milden Beschwerden können Mittel der Naturheilkunde zur Anwendung kommen. So werden beispielsweise bei einer Prostatahyperplasie zahlreiche pflanzliche Präparate (z.B. Sägezahnpalme, Brennesselwurzel) eingesetzt; in Studien zeigen diese im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) jedoch keine oder minimale Erfolge [6].

Bei einer Stuhlinkontinenz können Flohsamen helfen; diese machen den Stuhl zwar weich, halten ihn jedoch geformt, so dass der Stuhl besser gehalten werden kann [5].

Operative Maßnahmen

Sind oben genannte Behandlungsformen nicht ausreichend, so kann der Verschlußmechanismus von Blase bzw. Darm operativ gestärkt bzw. künstlich ersetzt werden (z.B. Sphinkterrepair, Silikontherapie, Sakrale Nervenstimulation). Bei der beningen Prostatahyperplasie ist eine Teilentfernung der Prostata das Verfahren der Wahl (z.B. sogennante TUR-P).

Sonstiges

Bei beiden Inkontinenzformen sollten, falls nötig, Hilfsmittel wie z.B. Einlagen oder Windeln zum Einsatz kommen. Diese binden Feuchtigkeit und Geruch und reduzieren somit die Auswirkungen der Inkontinenz.

Um Menschen mit Inkontinenz das Leben zu erleichtern bieten manche Städte sogenannte Toilettenführer an, um das schnelle Aufsuchen einer einer Toilette zu erleichtern.

Wann bestehen ernsthafte gesundheitliche Risiken?

Sowohl eine Stuhl- als auch eine Harninkontinenz kann eine seelische Belastung für den Betroffenen darstellen. Aus Scham wird oft nicht ausreichend über die Problematik gesprochen. Stattdessen ziehen sich Betroffene aus Angst vor dem Malheur oftmals zurück – Vereinsamung und Depression sind nicht selten Folge.

Des Weiteren kann abgegangener Stuhl und Urin die Haut reizen und zu Entzündungen und Infektionen im Intimbereich führen.

Um den Problemen der Inkontinenz zu entkommen, reduzieren Betroffene häufig die Aufnahme von Flüssigkeit und Nahrung. Dies sollte in jedem Fall vermieden werden, da ein Mangel an Flüssigkeit und Nährstoffen zahlreiche negative Folgen mit sich bringt.

[1] C. Dörfler: „Blasenschwäche beim Mann.“, http://www.pflegeportal.ch/pflegeportal/pub/Procare_Juli_Inkontinenz_2293_1.pdf, 02.04.2018

[2] O. Schwandner: Proktologische Diagnostik. Springer-Verlag, 2015, S. 333f., S. 165.

[3] I. Fügen, H.Melchior: Inkontinenzmanual: Diagnostik – Therapie – Rehabilitation. Springer-Verlag, 2013, S. 31f.

[4] „Universitätsspital Zürich: Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie: Stuhlinkontinenz.“, http://www.vis.usz.ch/fachwissen/proktologie/Seiten/stuhlinkontinenz.aspx, 02.04.2018

[5] „End- und Dickdarmpraxis Sindelfingen: Stuhlinkontinenz – einfache Maßnahmen.“, http://www.end-und-dickdarmpraxis.de/wp-content/uploads/EDS_InkoRat2016PDF.pdf, 03.04.2018[6] „Gutartige Prostatavergrößerung: Was kann ich selbst gegen die Beschwerden tun?“, https://www.gesundheitsinformation.de/was-kann-ich-selbst-gegen-die-beschwerden-tun.2073.de.html?part=behandlung-bd, 03.04.2018

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