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Stuhlinkontinenz: Formen, Ursachen & Therapie

Synonyme: Darminkontinenz, anorektale Inkontinenz, anale Inkontinenz, Stuhlhalteschwäche
ICD-Code: R15
Verbreitung: Häufig (rund 5 Millionen Betroffene in Deutschland)
Altersverteilung: Häufigkeit steigend mit zunehmendem Alter
Geschlechtervert. (Fr. : Mä.)

Frauen 4-5 mal häufiger betroffen als Männer

Selbstdiagnose möglich: Ja. Zur Ursachenabklärung aber Arzt erforderlich
Selbstbehandlung ausreichend: Je nach Ursache
Ab wann zum Arzt: Bei anhaltendem unwillkürlichem Abgang von Darminhalt (Gase, Schleim und/oder Stuhl)

Stuhlinkontinenz (vs. Harninkontinenz) beschreibt ein Beschwerdebild, bei dem ein teilweiser oder kompletter Kontrollverlust der Darmausscheidung vorliegt. Dementsprechend kommt es zu einem unkontrollierten Abgang von Darminhalt (Stuhl, Schleim und/oder Gasen). Die Ursachen für dieses Beschwerdebild sind zahlreich und können jede Altersgruppe betreffen. Während manche Krankheitsbilder, wie z.B. Durchfall, eine vorübergehende Stuhlinkontinenz bedingen können, führen andere Ursachen zu langwierigen Inkontinenzbeschwerden. Da die Thematik oftmals mit Schamgefühl behaftet ist, wird eine Stuhlinkontinenz häufig nur unzureichend behandelt. In den meisten Fällen ist jedoch Hilfe möglich [1]. Folgender Artikel wird dem Leser das Krankheitsbild und dessen Ursachen näherbringen und verschiedene Therapieansätze vorstellen.

Stuhlinkontinenz: Woran kann das liegen?

Der Stuhlinkontinenz können sehr unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen. Damit der Stuhlgang kontrolliert und somit eine Kontinenz gewährleistet werden kann, benötigt es ein funktionsfähiges Kontinenzorgan. Dieses besteht aus einem dehnbaren Enddarm, einem funktionsfähigen Schließmuskelapparat (Sphinkter) sowie der Darmwand eingelagerten Nerven [1]. Dementsprechend kann ein Schaden jeder dieser Komponenten zu einer Stuhlinkontinenz führen:

Liegt ein Schaden des Schließmuskels vor, so spricht man von einer sogenannten muskulären Inkontinenz [2]. Häufigste Ursache hierfür ist eine vaginale Entbindung mit Dammriss [3]. Dies erklärt, warum Frauen häufiger unter Stuhlinkontinenz leiden als Männer. Es wird hierbei vermutet, dass der Schaden im jungen Alter meist kompensiert wird, jedoch mit steigendem Alter gehäuft zu Beschwerden führt [1]. Weitere Ursachen für eine muskuläre Inkontinenz sind Operationsschäden im Analbereich oder Grunderkrankungen, wie z.B. ein Rektumprolaps oder Fisteln [3]. Bei älteren und stark übergewichtigen Menschen spielt vor allem ein Nachlassen der Elastizität und Stärke des Beckenbodens und eine damit verbunden Schwäche des Schließmuskels eine Rolle [4].

Bei einer Schädigung der Enddarm-versorgenden Nerven (neurogen-sensorische Inkontinenz) kann die Information über den Füllzustand des Enddarms nicht fehlerfrei weitergeleitet werden und/oder der Schließmuskel nicht kontrolliert werden. Auch hier kann eine Beckenbodenschwäche eine auslösende Rolle spielen, da das Absinken des Beckenbodens zur Nervenüberdehnung führt [2]. Ebenso können Grunderkrankungen, wie z.B. Multiple Sklerose, Parkinson, Demenz oder ein Bandscheibenvorfall ursächlich sein [4][5].

Weitere Formen der Inkontinenz ist die sogenannte Überlaufinkontinenz und die Inkontinenz durch Reservoirverlust: Bei der Überlaufinkontinenz kommt es zu einer unvollständigen Entleerung des Enddarms, was wiederum zu einem Überlaufen des gefüllten Darms führt; ein Reservoirverlust liegt dann vor, wenn Teile des Enddarms (z.B. wegen Tumorerkrankungen) operativ entfernt werden mussten [2].

Des Weiteren bedarf es für eine Kontinenz eine gesunde Stuhlkonsistenz, denn sowohl Verstopfung (Obstipation) als auch Durchfallerkrankungen (Diarrhö) können zu einer Stuhlinkontinenz führen. Im Falle einer hartnäckigen Obstipation wird der Enddarm mit hartem Stuhl blockiert. Dadurch kommt es zu einem Ansammeln von dünnem Stuhl vor der Blockade. Fließt dieser am harten Stuhl vorbei kann es zu einer unkontrolliert Ausscheidung dessen kommen. Bei Durchfall ist der Stuhl gegebenenfalls so dünn, dass auch hier die Ausscheidung nicht mehr kontrolliert werden kann.

Bei jüngeren Patienten stehen vor allem chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn) als Ursache einer Stuhlinkontinenz im Vordergrund.

Des Weiteren können Medikamente (z.B. Abführmittel) oder psychische Faktoren Auslöser sein [4].

Nicht selten ist eine Stuhlinkontinenz auf die Kombination mehrerer Ursachen zurückzuführen [2].

Wie können die Beschwerden gelindert werden?

 Die Therapie der Stuhlinkontinenz richtet sich nach der jeweiligen Ursache. Ist eine Grunderkrankung Auslöser der Beschwerden, so muss diese dementsprechend therapiert werden. Eine optimale Therapie ist demnach nur dann möglich, wenn eine klare Ursachenabklärung erfolgt.

Als Allgemeinmaßnahme sollte stets eine Stuhlgangsregulierung erfolgen [1]. Diese hat einen regelmäßigen Stuhlgang mit normaler Stuhlkonsistenz zum Ziel. Bei zu hartem oder seltenem Stuhlgang sollte die Trinkmenge erhöht und eine ballaststoffreiche Ernährung aus Obst und Gemüse eingehalten werden. Körperliche Bewegung wirkt einer Verstopfung ebenso entgegen. Bei Durchfall muss dagegen eine Eindickung des Stuhls erfolgen. Eine medikamentöse Therapie (Kohletabletten, Loperamid) kann nach Rücksprache mit einem Arzt oder Apotheker eingesetzt werden, um die Stuhlkonsistenz zu beeinflussen [2].

Des Weiteren stellen ein Beckenbodentraining und eine gezielte Stärkung des analen Schließmuskels (sogenannte Kneifübungen) Grundpfeiler der Inkontinenztherapie dar [2]. Durch einen Krankengymnasten können diese Übungen erlernt und anschließend eigenständig durchgeführt werden. Falls es den Patienten schwerfällt die Beckenbodenmuskulatur gezielt anzuspannen, kann ein sogenanntes Biofeedbackgerät, das die Muskelanspannung auf einem angeschlossenen Bildschirm sichtbar macht, unterstützend eingesetzt werden. Des Weiteren existiert eine sogenannte Stimulationsbehandlung, bei welcher der Schließmuskel mittels Schwellstromgerät direkt stimuliert und gestärkt wird [1]. Menschen mit Übergewicht wird außerdem eine Gewichtsreduktion empfohlen, um den Beckenboden zu entlasten [1].

Bei Versagen der oben genannten Maßnahmen kann in manchen Fällen eine operative Therapie in Betracht gezogen werden. So kann der Schließmuskel beispielsweise rekonstruiert oder mittels künstlichem Sphinkter ersetzt werden [1]. Bei einer ausgeprägten Stuhlinkontinenz kommt als letzte Maßnahme die Anlage eines künstlichen Darmausganges in Frage [2].

Des Weiteren existiert eine Therapieform, bei der die Schließmuskel-versorgenden Nerven mittels Schrittmacher stimuliert werden (sakrale Nervenstimluation) [1]. Zur Stuhlentleerung wird die Aktion des Schrittmachers pausiert [1].

Um die Auswirkungen der Erkrankung auf das Alltagsleben zu minimieren, sollte außerdem der Einsatz einfacher Hilfsmittel wie z.B. Inkontinenzeinlagen oder Analtampons erlernt werden.

Wann bestehen ernsthafte gesundheitliche Risiken?

Der häufige Abgang von Stuhl kann zu einer Irritation und Entzündung der Haut im Intimbereich führen [5]. Des Weiteren kann es dazu kommen, dass Betroffene mittels Nahrungsreduktion versuchen die Beschwerden zu lindern. Dies kann jedoch einen Mangel an Nährstoffen und Vitaminen zur Folge haben.

Das größte Gesundheitsrisiko einer Stuhlinkontinenz ist jedoch von seelischer Natur. Der Kontrollverlust über die eigene Ausscheidung führt meist zu großer Frustration und sozialem Rückzug. Betroffene verlassen aus Angst vor dem Malheur nur ungern das Haus und sprechen wegen Schamgefühl nur unzureichend über ihre Beschwerden. Psychische Belastung, Depression und die Einschränkung eines gesunden Sozial- und Sexuallebens können somit Folge sein.

Quellenangaben: 

[1] „Deutsche Kontinenz Gesellschaft: Müssen, Wollen, Können. Stuhlinkontinenz.“, http://www.kontinenz-gesellschaft.de/fileadmin/user_content/startseite/patienten/krankheiten_therapien/stuhlinkontinenz/DKG_Stuhlink_05-14.pdf, 19.01.2018

[2] „End- und Dickdarm-Zentrum Essen: Stuhlhalteschwäche (Stuhlinkontinenz).“, http://enddarmzentrum-essen.de/index.php/erkrankungen/stuhlhalteschwaeche-stuhlinkontinenz, 19.01.2018

[3] „Selbsthilfeverband Inkontinenz e.V.: Die muskuläre Störung.“ https://www.selbsthilfeverband-inkontinenz.org/svi_suite/svisuite/stuhlinkontinenz-muskulaer.php, 19.01.2018

[4] „Das gastroenterologieportal.de: Stuhlinkontinenz (anale Inkontinenz).“,  http://dasgastroenterologieportal.de/Stuhlinkontinenz_anale_Inkontinenz.html, 19.01.2018

[5] „Mayo Clinic: Fecal incontinence.“, https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/fecal-incontinence/symptoms-causes/syc-20351397, 19.01.2018

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