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Starker Harndrang: Definition, Ursachen & Therapie (Hilfsmittel)

Ein starker Harndrang ist in erster Linie nichts Unnormales. Jeder Mensch wird bei entsprechend voller Blase einen starken Harndrang verspüren. Tritt dieser jedoch bereits bei gering gefüllter Blase auf oder führt zu ungewolltem Abgang von Urin, bevor die Toilette erreicht wird, so kann es sich eventuell um ein Symptom einer Grunderkrankung handeln. Ebenso kann ein nächtliches Auftreten der Harndrangsymptomatik, Hinweis auf eine Erkrankung darstellen.

Der folgende Artikel wird den Leser über die Thematik des starken Harndrangs aufklären und erläutern, wann dieser als „normal“ und wann als „unnormal“ einzustufen ist.

Engl.:
strong urge to urinate
Häufigste Ursachen:
große Trinkmengen, harntreibende Mittel, Dranginkontinenz
Selbstdiagnose möglich: Ja.
Selbstbehandlung ausreichend: Je nach Ursache.
Ab welchen Symptomen zum Arzt:
Bei starken Schmerzen oder Fieber, starkem Harndrang trotz kleiner Urinmengen, bei unwillkürlichem Abgang von Urin

 

Wie kommt es zu starkem Harndrang?

Harndrang ist ein natürlicher Mechanismus des Körpers, um eine volle Blase zu signalisieren.

Die Blase ist ein muskuläres Hohlorgan, das im kleinen Becken über dem Beckenboden zu liegen kommt. Sie dient der Speicherung von Urin, der Rund um die Uhr von den Nieren produziert wird. Die Blase und die Nieren stehen über die sogenannten Harnleiter in Kontakt, über die der Harn in die Blase gelangt. Hier wird dieser angesammelt, bis eine gewisse Urinmenge erreicht wird. Der Füllzustand der Blase wird über Nervenfasern kontinuierlich an das Gehirn weitergeleitet. Wird ein gewisser Füllzustand erreicht, so entsteht Harndrang. Mit steigender Füllmenge nimmt die Intensität des Harndrangs zu.

Das maximale Fassungsvermögen der Blase beträgt beim Erwachsenen in etwa 400 bis 600 ml; Harndrang wird jedoch gewöhnlich bereits bei einer Füllmenge von 350 bis 450 ml wahrgenommen [1].

Was sind die Ursachen starken Harndrangs?

Wieviel Harn produziert wird, ist abhängig von der individuellen Trinkmenge. Werden dem Körper innerhalb eines kurzen Zeitraums große Mengen Flüssigkeit zugeführt, ohne dass diese auf anderem Wege (wie z.B. Schwitzen) ausgeschieden werden, so reagiert der Körper mit einer erhöhten Urinproduktion; die Blase wird somit schneller gefüllt und starker Harndrang kann folgen.

Ebenso kann der Konsum von Kaffee oder Alkohol (sogenannte „harntreibende“ Getränke) zu einer vermehrten Harnproduktion und demnach einem verstärkten Harndrang führen [2].

Auch Medikamente, die die Harnproduktion antreiben (z.B. Diuretika = „Wassertabletten“), können einen verstärkten oder vermehrten Harndrang mit sich bringen.

Wird viel Urin produziert und die Blase demnach schnell gefüllt, wird folglich ein starker Harndrang empfunden, der zum Gang der Toilette auffordert. Beim Toilettengang wird bei oben genannten Ursachen entsprechend viel Urin ausgeschieden. Ein starker Harndrang bei entsprechend voller Blase ist demnach normal.

Anders verhält es sich bei einem starken Harndrang, der bereits bei gering gefüllter Blase auftritt; beim Aufsuchen der Toilette werden dann nur kleine Mengen Urin ausgeschieden. Ein Auftreten starken Harndrangs bei gering gefüllter Blase ist „unnormal“ und kann verschiedene Ursachen haben.

Ein starker Harndrang kann beispielsweise während einer Blasenentzündung wahrgenommen werden. Typischerweise werden hier jedoch trotz starkem Harndrang nur kleine Mengen Urin ausgeschieden. Auch andere Erkrankungen der Blase oder der umliegenden Organe können zu starkem Harndrang bei geringer Füllmenge führen.

So kann bei der Frau beispielsweise eine Vergrößerung oder Verlagerung der Gebärmutter auf die Blase drücken und so deren Fassungsvermögen verkleinern. Auch bei einer Schwangerschaft nimmt die Blasenkapazität durch Größenzunahme der Gebärmutter ab.

Beim Mann sind Beschwerden starken Harndrangs oft auf eine gutartige Prostatavergrößerung (beninge Prostatahyperplasie) zurückzuführen. Bei der Prostatahyperplasie kann es durch Einengung der Harnröhre zu einer unvollständigen Entleerung der Blase und so zu Restharn kommen, der dann erneut Harndrang verursacht.

Ist der Harndrang so stark, dass er nicht zu unterdrücken beziehungsweise zu beherrschen ist, so spricht man in der Fachliteratur von einem imperativen Harndrang [3]. Er kann durch Blasensteine, Infektionen der Blase oder Blasentumoren ausgelöst werden [4]. Nicht selten führt dieser zu einem ungewollten Harnverlust, bevor eine Toilette erreicht werden kann (Harninkontinenz). Ein imperativer Harndrang mit ungewolltem Urinverlust ist Leitsymptom einer sogenannten Dranginkontinenz.

Ein starker Harndrang der besonders in der Nacht auftritt, kann auf Erkrankungen des Herzens oder der Prostata hinweisen.

Es sei außerdem erwähnt, dass das Fassungsvermögen der Blase im Alter abnimmt; dementsprechend kann es vorkommen, dass ältere Menschen bereits bei kleinen Urinmengen stärkeren Harndrang empfinden [5].

Auch psychische Komponenten wie Stress oder Aufregung können Harndrang provozieren.

Oftmals lässt sich für die Harndrangsymptomatik jedoch keine klare Ursache finden [4].

Was kann gegen starken Harndrang getan werden?

Falls der starke Harndrang auf eine klare Ursache (z.B. Blasenentzündung) zurückzuführen ist, so muss diese gezielt therapiert werden. Die Behandlung der Ursache wird dann ein Zurückgehen der Harndrangsymptomatik zur Folge haben.

Kann der Arzt keine Ursache für die Beschwerden finden, können allgemeine Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden.

Um die Blase an größere Füllmengen zu gewöhnen, kann beispielsweise ein sogenanntes „Blasentraining“ durchgeführt werden. Hierbei wird die Blase regelmäßig und nach Plan entleert. Mit der Zeit können die Intervalle zwischen den einzelnen Toilettengängen verlängert werden; die Blase kann so allmählich mehr Urin aufnehmen ohne verfrühten Harndrang auszulösen. Ein Blasentraining sollte unter Anweisung eines Arztes oder Therapeuten erfolgen. Es ist wichtig, die Intervalle nur langsam zu erhöhen, da sonst eine Harninkontinenz provoziert werden kann [3].

Ein weiterer Ansatz, die Beschwerden des starken Harndrangs zu kontrollieren, stellt die Beckenbodengymnastik dar. Hiermit wird zwar nicht gezielt der Harndrang therapiert, es unterstützt jedoch die Fähigkeit diesen besser zu unterdrücken und demnach weniger stark davon beeinflusst zu werden. Der Beckenboden stellt eine wichtige Komponente des Blasenverschlussmechanismus dar; eine Stärkung dessen unterstützt somit den Verschluss der Blase.

Je nach Ursache des Harndrangs können eventuell auch Medikamente zum Einsatz kommen, um die Beschwerden zu reduzieren.

Tipps und Hinweise zum Thema

Bei einer Harndrangsymptomatik kann versucht werden, auf harntreibende Getränke (siehe oben) zu verzichten.

Tritt der Harndrang Nachts auf, so sollten vor dem Schlafengehen keine Getränke mehr konsumiert werden.

Oftmals versuchen Betroffene starken Harndrang in den Griff zu bekommen, indem sie generell weniger Trinken. Dies sollte jedoch vermieden werden. Eine zu geringe Trinkmenge kann Nieren- und Blasenerkrankungen wie z.B. Nierensteine verursachen und wirkt sich besonders bei älteren Menschen negativ auf den Kreislauf aus.

Besteht Angst vor einem ungewollten Urinverlust, können Einlagen oder ähnliche Hygieneprodukte verwendet werden, um bei einem möglichen Urinabgang vor Geruch und Nässe zu schützen. Prinzipiell ist es wichtig anhaltende Beschwerden einem Arzt vorzustellen und sie nicht aus Schamgefühl zu verschweigen.

Ein starker Harndrang bei Unvermögen die Blase zu entleeren mit begleitenden starken Schmerzen im Unterbauch sollte unverzüglich einem Arzt vorgestellt werden, da es sich um einen akuten Harnverhalt handeln kann, der schnellstmöglich therapiert werden muss.

 

Quellenangaben:

[1] G. Schmidt: Sonographische Differenzialdiagnose: Lehratlas zur systematischen Bildanalyse mit über 2500 Befundbeispielen. Georg Thieme Verlag, 2002, S. 360.

[2] „Harndrang (Miktion).“, https://www.beobachter.ch/gesundheit/symptom/harndrang-miktion, 24.01.2019

[3] R. Tunn et al.: Urogynäkologie in Praxis und Klink. Walter de Gruyter Verlag, 2009, S. 62, S. 193.

[4] M. S. Michel et al.: Die Urologie. Springer-Verlag, 2016, S. 1001.

[5] C. Becker, S. Schewior-Popp, R. Fischer: Examen Pflege: Schriftliche Prüfung, Tag 2. Georg Thieme Verlag, 2007, S. 259.

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