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Ligamentum cruciatum anterius / Vorderes Kreuzband – Anatomie und Funktion

Den beiden Kreuzbändern (Ligamenta cruciata) kommt im Kniegelenk sowohl topographisch als auch funktionell eine zentrale Bedeutung zu. Vor allem das vordere leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilität und Beweglichkeit.

Anatomischer Aufbau des vorderen Kreuzbandes

Das vordere oder auch innere Kreuzband, kurz VKB, ist das dünnere der beiden Kreuzbänder. Es ist ca. 2 cm lang, etwa so dick wie ein kleiner Finger und besteht aus straffem parallelfaserigem Bindegewebe, d.h. aus dicht gelagerten kollagenen Faserbündeln. Es lassen sich drei Bandanteile unterscheiden, nämlich eine vordere innere bzw. anteromediale Partie, die besonders bei der Beugung des Kniegelenks angespannt wird, eine hintere äußere bzw. posterolaterale Partie, die sich bei gestrecktem Knie anspannt, sowie die dazwischenliegende bzw. intermediäre Partie.

Anatomische Lage des vorderen Kreuzbandes

Das vordere Kreuzband gehört zu den zentralen Bändern des Kniegelenks, da es sich innerhalb der Gelenkkapsel befindet. Es liegt teilweise zwischen äußerem und innerem Blatt der Gelenkkapsel und ist somit von den eigentlichen Gelenkflächen abgegrenzt. Es hält gemeinsam mit dem hinteren Kreuzband und den Seitenbändern das Kniegelenk zusammen, indem es sich zwischen den Gelenkenden des Schienbeins und des Oberschenkelknochens spannt. Genauer gesagt verläuft es von der Innenfläche des äußeren Rollhügels des Oberschenkelknochens (Condylus lateralis femoris) zum knorpelfreien vorderen Mittelteil des Schienbeinkopfes (Area intercondylaris anterior tibiae). Es zieht also von oben nach unten, von hinten nach vorn sowie von außen nach innen und liegt zwischen den beiden überknorpelten Gelenkflächen des Kniegelenks.

Funktion des vorderen Kreuzbandes

Die stabilisierende Funktion beider Kreuzbänder besteht neben dem simplen Zusammenhalten des Kniegelenks hauptsächlich darin, sagittale, also nach vorn oder hinten gerichtete Verschiebungen zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein zu verhindern. Das vordere Kreuzband, dessen posterolaterale Partie hierbei besonders angespannt ist, begrenzt die Streckung und verhindert die vordere Verschiebung des Schienbeins. Insgesamt stabilisiert das vordere Kreuzband das Knie während der gesamten Beuge- und Streckbewegung, da es in jeder Position zumindest teilweise angespannt ist. Am gestreckten Knie sind sowohl die Kreuzbänder als auch die Seitenbänder maximal gespannt, somit ist diese Position am stabilsten. Am gebeugten Knie sind die Seitenbänder entspannt, so dass die gesamte ligamentäre Sicherung den Kreuzbändern obliegt. Außerdem bilden sie das Zentrum der Drehachse im Kniegelenk. Bei Innenrotation während der Beugung wickeln sie sich umeinander, bei Außenrotation liegen sie annähernd parallel. Demzufolge kann der Unterschenkel stärker nach außen als nach innen rotieren.

Mögliche Verletzungen und Erkrankungen des vorderen Kreuzbandes

Eine Ruptur, d.h. ein vollständiger oder partieller Riss des vorderen Kreuzbandes stellt die häufigste klinisch relevante Verletzung des Kniegelenks dar. Besonders Sportarten, bei denen die Knie durch Beschleunigen, Abbremsen, Richtungswechsel und Rotation stark beansprucht werden, z.B. Volleyball, Tennis oder Skifahren, bergen ein hohes Risiko für vordere Kreuzbandrisse. Diese können isoliert oder in Kombination mit anderen Bänderschäden auftreten, z.B. in Gestalt der sogenannten Unhappy Triad, einer Ruptur von vorderem Kreuzband, Innenband und Innenmeniskus. Zur Diagnose eignet sich das „Schubladenphänomen“, d. h. der Unterschenkel kann am 90° gebeugten Knie gegenüber dem Oberschenkel nach vorn verschoben werden. Eine Spontanheilung findet kaum statt, da die Durchblutung des vorderen Kreuzbandes relativ schlecht ist. Somit erfordert eine Ruptur in vielen Fällen eine plastische Rekonstruktion unter Verwendung der Patella- oder Semitendinosussehne, allerdings kommt auch häufig eine konservative Therapie durch gezielten Muskelaufbau in Frage. Keinesfalls sollte ein Kreuzbandriss unbehandelt bleiben, da sonst weitere Schäden am Kniegelenk folgen können.

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