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Inkontinenz: Formen, Ursachen & Therapie

ICD-Code: R32 (Harninkontinenz), R15 (Stuhlinkontinenz)
Verbreitung: Häufig (> 6 Millionen Deutsche)
Altersverteilung: Häufigkeit steigend mit zunehmendem Alter
Geschlechtervert. (Fr. : Mä.)

Stuhlinkontinenz 5:1, Harninkontinenz 3:1

Selbstdiagnose möglich: Ja. Zur Ursachenabklärung aber Arzt erforderlich
Selbstbehandlung ausreichend: Je nach Ursache
Ab wann zum Arzt: Bei anhaltendem unwillkürlichem Harn- Stuhl- oder Windabgang

Das Wort Inkontinenz beschreibt im Allgemeinen die Unfähigkeit Dinge ‘zurückhalten zu können’. Im Speziellen wird dieser Artikel auf die Thematik der Stuhl- und Harninkontinenz eingehen – zwei Beschwerdebilder bei denen es zum unkontrollierten Abgang von Harn bzw. Darminhalt (Stuhl, Schleim und/oder Gase) kommt [1][2]. Beide Krankheitsbilder treten vor allem im hohen Alter auf, sind jedoch selbst unter jungen Menschen keine Seltenheit. Da die Thematik aus Scham häufig tabuisiert wird, gehört die Inkontinenz zu einem unzureichend gut behandeltem Krankheitsbild [1]. Inkontinenz kann jedoch häufig erfolgreich behandelt werden! Dieser Artikel wird das Thema der Inkontinenz näher beleuchten und dem Leser mögliche Behandlungsformen vorstellen.

Inkontinenz: Woran kann das liegen?

Sowohl eine Harn- als auch eine Stuhlinkontinenz kann auf zahlreiche Ursachen zurückgeführt werden. Um das Entstehen einer Inkontinenz nachvollziehen zu können, ist es hilfreich die Funktionsweise der Ausscheidungsorgane zu verstehen:

Blase und Enddarm dienen als Speicherorgan für Harn (Urin) beziehungsweise Stuhl. Wenn eine gewisse Füllmenge dieser Organe erreicht ist, wird diese Information über Nervenfasern an das Gehirn weitergeleitet und führt zum Gefühl von Harn- bzw. Stuhldrang. Dieser kann im Normalfall, zu einem gewissen Grad, zurückgehalten werden. Hauptverantwortlich für diese Fähigkeit sind die Schließmuskel (Sphinkter) der beiden Organe; diese sind wiederum Teil der Strukturen des Beckenbodens [1].

Um eine Kontinenz, also die Fähigkeit die Abgabe von Darminhalt und Urin willentlich zu kontrollieren, zu gewährleisten, müssen demnach das Zusammenspiel mehrerer Aspekte funktionieren: Die Funktionsfähigkeit der Schließmuskel, die Sensibilität der Organe, um die Füllmenge zu bestimmen und die fehlerfreie Nervenleitung zwischen dem jeweiligen Speicherorgan und dem Gehirn. Dementsprechend werden die Ursachen für eine Inkontinenz in zwei Hauptgruppen unterteilt: Nervenbedingte (neurogene) und beckenbodenbedingte Funktionsstörungen [3].

Die häufigste Ursache einer sowohl Stuhl- als auch Harninkontinenz ist eine Funktionsschwäche des Schließmuskel-Apparates [1][4]. Bei Frauen spielt hier vor allem eine Verletzung des Sphinkter oder der versorgenden Nervenbahnen im Rahmen einer Entbindung eine ausschlaggebende Rolle [1][5]. Im höheren Alter steht eine altersbedingte Erschlaffung des Bindegewebes und ein Nachlassen der Muskelkraft, was eine Beckenbodensenkung zur Folge hat, im Vordergrund [1]. Eine ebenso häufige Ursache ist eine chronische Verstopfung (Obstipation), bei der es zum Überfließen von weichem Stuhl kommt („paradoxer Stuhlgang“) [1][6]. Weitere Ursachen für eine Inkontinenz können Infektionen (Durchfall bzw. Blasenentzündung), Verletzungen von Schließmuskels oder Nerven im Rahmen operativer Eingriffe (z.B. Prostataentfernung, Fisteloperation), neurologische Erkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa), medikamentöse Nebenwirkungen, psychosoziale Faktoren und Krebserkrankungen sein [2][5].

Formen der Inkontinenz

Die Harninkontinenz wird in folgende Formen eingeteilt:

-> Um mehr über die Harninkontinenz zu erfahren, klicken Sie hier: Harninkontinenz

Bei der Stuhlinkontinenz existieren die:

-> Um mehr über die Stuhlinkontinenz zu erfahren, klicken Sie hier: Stuhlinkontinenz

Stuhl– und Harninkontinenz können gemeinsam und getrennt voneinander auftreten, wobei das gemeinsame Auftreten keine Seltenheit darstellt; 6% aller Männer und 9,5% aller Frauen über 50 Jahren leiden unter einer sogenannten kombinierten Inkontinenz [3].

Wie können die Beschwerden gelindert werden?

Da die Formen und Ursachen der Inkontinenz so vielfältig sind, sind auch die Therapieansätze sehr individuell unterschiedlich. Dies macht das Aufsuchen eines Arztes beim Auftreten von Beschwerden so wichtig. Dieser wird mittels einem ausführlichen Gespräch (Anamnese), einer körperlichen Untersuchung  und eventuellen Zusatzuntersuchung, wie z.B. Ultraschall- oder Röntgen-Untersuchungen, die Ursache ermitteln und dementsprechend eine individuelle Therapie festlegen.

Bei beiden Inkontinenzformen kommen folgende Therapiemaßnahmen in Frage:

Allgemeinmaßnahmen

Bei Harn- als auch Stuhlinkontinenz spielt die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur eine wichtige Rolle. Ein gezieltes Beckenbodentraining kann nach Erlernen durch einen Krankengymnasten leicht eigenständig durchgeführt werden. Falls es den Patienten schwer fällt die Beckenbodenmuskulatur gezielt anzuspannen, kann ein sogenanntes Biofeedbackgerät, das die Muskelanspannung auf einem angeschlossenen Bildschirm sichtbar macht, unterstützend eingesetzt werden.

Prinzipiell ist bei Übergewicht eine Gewichtsreduktion anzustreben, um den Beckenboden zu entlasten [1].

Des Weiteren wird Patienten ein sogenanntes Toilettentraining empfohlen, bei dem eine regelmäßige Darmentleerung und ein willentliches Hinauszögern des Wasserlassens trainiert wird. Bei einer Harninkontinenz sollten auf harntreibende Getränke (z.B. Kaffee, Alkohol) verzichtet werden. Bei einer Stuhlinkontinenz sollte, mittels ausgewogener Ernährung, sowohl einem zu harten als auch zu weichen Stuhl vorgebeugt werden [1].

Um die Auswirkungen des Beschwerdebildes zu mildern, ist außerdem das Erlernen und die Nutzung des Gebrauchs von Kontinenzprodukten, wie z.B. Analtampons, Schutzhosen, wichtig.

Medikamentöse Therapie

Bei beiden Inkontinenzformen kann der Einsatz von Medikamenten die Symptomatik lindern. Welches Medikament in Frage kommt, muss mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Operative Maßnahmen

Der Einsatz operativer Verfahren setzt voraus, dass die Ursache operativ behebbar ist. So kann beispielsweise ein geschädigter Schließmuskel operativ repariert werden (Sphinkterrekonstruktion) [5].

Bei bestimmten Formen der Inkontinenz (Stuhlinkontinenz, Dranginkontinenz) kann ein sogenannter Blasen- oder Darmschrittmacher (sakrale Neuromodulation) zum Einsatz kommen [8]. Hierbei wird durch einen operativen Eingriff, eine kleine Elektrode an die Nervenbahnen in Nachbarschaft des Kreuzbeins (Sakrum) implantiert. Die Nerven, die Blase bzw. Enddarm steuern, werden durch diese Elektrode sanft stimuliert.

Wann bestehen ernsthafte gesundheitliche Risiken?

Auf körperlicher Ebene kann ein unkontrollierter Abgang von Stuhl und Harn zu Entzündungen im Intimbereich führen. Des Weiteren besteht das Risiko, dass Betroffene Trink- oder Nahrungsmenge reduzieren, um so die Symptome zu kontrollieren. Ein Flüssigkeitsmangel birgt jedoch die Gefahr von Nierensteinen, Verstopfung, Herz-Kreislaufproblemen und geistiger Verwirrung. Eine Einschränkung der Nahrungsmenge kann zu Vitamin- und Nährstoffmangel führen.

Neben den körperlichen Risiken einer Inkontinenz sollten jedoch vor allem die seelischen Begleiterscheinungen bedacht werden. Der Kontrollverlust über die Ausscheidungsorgane wird meist als sehr belastend empfunden und führt oft dazu, dass die Betroffenen das Haus nur ungern verlassen. Soziale Isolation und Depression sind die Folge.

Quellenangaben:

[1] „Deutsche Kontinenz Gesellschaft: Müssen, Wollen, Können. Stuhlinkontinenz.“,http://www.kontinenz-gesellschaft.de/fileadmin/user_content/startseite/patienten/krankheiten_therapien/stuhlinkontinenz/DKG_Stuhlink_05-14.pdf, 12.01.2018

[2] „Continence Foundation of Australia: What is incontinence?“,https://www.continence.org.au/pages/what-is-incontinence.html, 12.01.2018

[3] L. Strohmaier: „Kombinierte Stuhl- und Harninkontinenz.“,https://link.springer.com/article/10.1007/PL00001891, 12.01.2018

[4] „Frauenärzte im Netz: Inkontinenz: Ursachen & Krankheitsbilder.“,https://www.frauenaerzte-im-netz.de/de_inkontinenz-ursachen-krankheitsbilder_383.html, 12.01.2018

[5] „Inkontinenz Selbsthilfe e.V.: Thema: Stuhlinkontinenz.“,http://www.inkontinenz-selbsthilfe.com/ursachen-der-stuhlinkontinenz, 09.01.2018

[6] H. Ackermann: Gerontoneurologie. Georg Thieme Verlag, 2006, S. 45.

[7] „End- und Dickdarm-Zentrum Essen: Stuhlhalteschwäche (Stuhlinkontinenz).“,http://enddarmzentrum-essen.de/index.php/erkrankungen/stuhlhalteschwaeche-stuhlinkontinenz, 12.01.2018

[8] „Inkontinenz Selbsthilfe e.V.: Der Blasen- und Darmschrittmacher (Sakrale Neuromodulation.“,http://www.inkontinenz-selbsthilfe.com/der-blasen-und-darmschrittmacher-sakrale-neuromodulation, 09.01.2018

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