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Darminkontinenz: Definition, Ursachen & Therapie

Die Darminkontinenz beschreibt ein Beschwerdebild, bei dem das Entleeren des Darms nicht mehr willkürlich gesteuert werden kann. Demnach kommt es zu einem ungewollten Abgang von Gasen, Schleim und/oder Stuhl. Aus Scham sprechen Betroffene nur ungern über die Beschwerden und suchen demnach nur unzureichend Hilfe auf. Folglich erscheint die Darminkontinenz ein seltenes Beschwerdebild zu sein – dies ist jedoch nicht so. Geschätzt sind bis zu 5% der deutschen Bevölkerung davon betroffen, wobei von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird [3].

Folgender Artikel wird über das Krankheitsbild aufklären und soll dem betroffenen Leser durch das Vorstellen von Therapiemaßnahmen, Mut machen Hilfe aufzusuchen.

Synonyme:
Darminkontinenz, anorektale Inkontinenz, anale Inkontinenz, fäkale Inkontinenz
Engl.:
Faecal Incontinence
ICD-Code für diese Krankheit: R15
Verbreitung in der Bevölkerung:
Häufig. Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland betroffen [1].
Geschlechterverteilung:
Frauen 4 bis 8 mal häufiger betroffen als Männer [2].
Altersverteilung:
Häufigkeit steigend mit Alter.
Häufigste Ursachen:
Rektumprolaps, Analproplaps.
Selbstdiagnose möglich:
Ja. Für die Ursachenabklärung jedoch Arzt erforderlich.
Selbstbehandlung ausreichend:
Je nach Ursache.
Ab welchen Symptomen zum Arzt:
Mehrfacher bzw. anhaltender ungewollter Abgang von Wind/Schleim/Stuhl. Schmerzen im Analbereich. Blut im Stuhl.

Definition und Stufen der Darminkontinenz

Im Normalfall ist es möglich, das Absetzen von Stuhl willentlich zu steuern, so dass der Vorgang zur richtigen Zeit und am richtigen Ort stattfinden kann. Dementsprechend kann Stuhldrang gewöhnlich für eine gewisse Zeit zurückgehalten werden. Diese Fähigkeit bezeichnet man als sogenannte Kontinenz. Bei der Inkontinenz dagegen, geht diese Fähigkeit verloren.

Wenn Wind und/oder Stuhl ungewollt abgehen, ist demnach definitionsgemäß von einer Darm– beziehungsweise Stuhlinkontinenz die Rede. Eine Darminkontinenz kann somit sehr unterschiedliche Ausmaße annehmen und wird je nach Schweregrad in folgende drei Stufen eingeteilt:

Es sei erwähnt, dass je nach Ursache der ungewollte Stuhlabgang mit oder ohne zuvor wahrgenommenen Stuhldrang einhergehen kann.

Die Anatomie des Darms

Um das Entstehen einer Darminkontinenz zu verstehen ist es hilfreich, die Grundzüge der hierfür verantwortlichen Anatomie zu kennen:

Nachdem Nahrung über den Mund und die Speiseröhre in den Magen aufgenommen wird, wird der Speisebrei von dort in den Darm geleitet. Der erste Abschnitt des Darms wird Dünndarm genannt. Hier werden Nährstoffe aufgenommen und dünnflüssiger Stuhl produziert. Dieser wird dann in den darauffolgenden Darmabschnitt, den Dickdarm, geleitet.

Der Dickdarm ist zuständig für das Eindicken des Stuhls. Dies geschieht indem dem Stuhl Wasser entzogen wird. Der eingedickte Stuhl wird dann im letzten Teil des Dickdarms, dem Mastdarm (Rektum), gespeichert bis es zur Ausscheidung über den Analkanal kommt. Diese beiden letzten Abschnitte des Dickdarms bilden gemeinsam das sogenannte Kontinenzorgan, da sie für die Aufrechterhaltung der oben beschriebenen Kontinenz, also die Kontrolle über die Ausscheidung, verantwortlich sind.

Das Kontinenzorgan verfügt über ein komplexes Schließmuskel-System, das den Verschluss des Enddarms gewährleistet. Es unterliegt einer teils willkürlichen, teils unwillkürlichen Steuerung und wird abschnittsweise durch die Beckenbodenmuskulatur gebildet. Zahlreiche Nervengeflechte in der Schleimhaut des Enddarms leiten Informationen über den dessen Füllzustand an das Gehirn weiter und vermitteln Impulse für eine regelrechte Entleerung.

Die Stuhlentleerung (Defäkation) ist ein komplexer Vorgang, bei dem sowohl Schleimhaut, Nervenstrukturen und Schließmuskel des Kontinenzorgan fehlerfrei funktionieren müssen.

Ursachen der Darminkontinenz

Die Ursachen einer Darminkontinenz sind zahlreich. Prinzipiell kann es immer dann zu einer Stuhlinkontinenz kommen, wenn eine oder mehrere der oben beschriebenen Strukturen ihre Funktion nicht oder nur unzureichend erfüllt. So kann beispielsweise ein unzureichendes Eindicken des Stuhls zu dünnflüssigem Stuhl führen, der dann nicht vom Schließapparat gehalten werden kann. Auch erregerbedingte Durchfallerkrankungen oder Missbrauch von Abführmitteln können so eine vorübergehende Darminkontinenz auslösen [2].

In anderen Fällen kann eine Stuhlinkontinenz bei normal geformten Stuhl auftreten.

Die häufigste Ursache hierfür ist ein sogenannter Vorfall/Vorstülpung des Rektums oder der Schleimhaut des Analkanals durch den After (Anus) (Rektum bzw. Analprolaps) [4]. Häufig ist dies Folge ausgeprägter Hämorrhoiden, Verstopfung (Obstipation) oder einer Beckenbodenschwäche [5]. Bei Frauen kann es neben dem Rektum- oder Analprolaps auch zu Vorfällen von Scheide, Gebärmutter oder Blase kommen, die ebenso den Kontinenzapparat negativ beeinflussen und so eine Darminkontinenz bewirken können.

Bei Frauen spielen außerdem die Folgen von Entbindungen eine ausschlaggebende Rolle bei der Entstehung einer Stuhlinkontinenz; vaginale Entbindungen können zu einem Dammriss führen, der gegebenenfalls auch den analen Schließmuskel betreffen kann. Ebenso können bei der Entbindung Nerven, die den Schließmuskel versorgen, geschädigt werden, was dann indirekt die Funktionsfähigkeit des Schließmechanismus beeinflusst.

Prinzipiell können auch Operationen im Bereich des Afters zu Schäden des Schließapparats oder dessen Nerven führen.

Des Weiteren kann eine Beckenbodenschwäche zu einer unzureichenden Funktion des Schließmuskelapparates und so zu einer Inkontinenz führen. Risikofaktoren für eine beeinträchtigte Beckenbodenmuskulatur sind Übergewicht und eine altersbedingte Abnahme der Gewebespannung [2].

Da der Schließmechanismus von komplexen Nervengeflechten sowie bestimmten Hirnarealen abhängt, kann auch eine Schädigung dieser Anteile des Systems ursächlich für die Beschwerden sein. Beispiele hierfür sind Schädigungen in Folge von Schlaganfällen, Demenz, Bandscheibenvorfällen oder Nervenschädigung nach Tumoroperationen [2][4].

Es mag im ersten Moment paradox klingen, aber auch eine Obstipation kann Ursache einer Stuhlinkontinenz sein. Wenn nur selten zur Toilette gegangen wird (weniger als 3 mal pro Woche) oder harte Stühle die Regel sind, sondert der Darm vermehrt Schleim ab, um die Stuhlpassage zu fördern; dieser kann dann ungewollt abgehen [4].

Weitere Ursachen einer Darminkontinenz sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa) oder psychische Leiden [2].

Was kann gegen eine Stuhlinkontinenz getan werden?

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Darminkontinenz eine große Auswirkung auf das seelische Wohlbefinden eines Menschen hat. Sozialer Rückzug und depressive Verstimmungen gehen oft mit der Problematik der Stuhlinkontinenz einher und sollten daher ebenso therapiert werden, wie der körperliche Aspekt der Erkrankung. Eine psychologische Unterstützung sollte daher, wenn nötig immer aufgesucht werden.

Die körperliche Therapie richtet sich nach der Ursache der Erkrankung:

Bei allen Arten der Stuhlinkontinenz ist es wichtig eine Stuhlregulation anzustreben, das heißt sowohl Verstopfung als auch Durchfall zu verhindern. Dies ist in erster Linie mittels einer ausgewogenen Ernährung, ausreichender Trinkmenge und körperlicher Bewegung zu bewerkstelligen. Es wird empfohlen auf koffeinhaltige Getränke zu verzichten, da diese den Schließmuskel entspannen [2].

Prinzipiell ist ein angeleitetes Beckenbodentraining durch einen Krankengymnasten von ausschlaggebender Bedeutung. Ist eine Beckenbodenschwäche Ursache für die Stuhlinkontinenz, kann diese Maßnahme zu einer Besserung bis hin zu einer Heilung der Stuhlinkontinenz führen [4]. Doch auch bei anderen Ursachen einer Stuhlinkontinenz zählt das Beckenbodentraining zu einer wichtigen Maßnahme. Neben dem aktiven Trainieren der Beckenbodenmuskulatur kann außerdem eine sogenannte Elektrostimulation angewendet werden; hierbei wird die Muskulatur mittels schmerzfreier elektrischer Stimuli passiv aktiviert.

Falls der Schließmuskel geschädigt oder durch einen Vorfall der Nachbarorgane beeinträchtigt ist, so können operative Eingriffe Abhilfe leisten. Hierbei existieren je nach spezifischer Ursache zahlreiche verschiedene Methoden bis hin zum Einsatz künstlicher Schließmuskel [1].

Hilfsmittel wie z.B. Analtampons oder Einlagen helfen die Auswirkung der Inkontinenz zu begrenzen und sollten daher therapiebegleitend eingesetzt werden.

Quellenangaben

[1] „Stuhlinkontinenz / Darminkontinenz.“, https://www.pflege.de/leben-im-alter/krankheiten/inkontinenz/stuhlinkontinenz/, 13.12.2018

[2] „Das Gastrologenportal: Stuhlinkontinenz (anale Inkontinenz).“,  http://dasgastroenterologieportal.de/Stuhlinkontinenz_anale_Inkontinenz.html, 03.01.2019

[3] M. Probst et al.: „Stuhlinkontinenz: Teil 4 der Serie Inkontinenz.“, https://www.aerzteblatt.de/archiv/78056/Stuhlinkontinenz, 13.12.2018

[4] „Harn- und Stuhlinkontinenz (Blasen- und Darmschwäche).“, http://www.kontinenz-gesellschaft.de/fileadmin/user_content/startseite/patienten/krankheiten_therapien/harninkontinenz/DKG_H-uS_02-14.pdf/DKG_H-uS_02-14.pdf, 13.12.2018

[5] „Anal- und Rektumprolaps.“, https://www.amboss.com/de/wissen/Anal-_und_Rektumprolaps, 03.01.2019

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